Kleve

Ausstellung: Hendrick Goltzius & Pia Fries

Aus Anlass seines zwanzigjährigen Bestehens 2017 präsentiert das Museum Kurhaus Kleve von 8. Oktober 2017 bis 11. Februar 2018 eine Ausstellung, die Passagen seines bisherigen Werdegangs würdigt als auch Vergangenheit und Gegenwart zusammenführt. In einer akzentuierten Werkschau kombiniert es einen bedeutenden Schwerpunkt seiner Sammlung mit einer hoch renommierten Wegbegleiterin. Mehr als vierhundert Jahre trennen das künstlerische Œuvre des Manieristen aus dem späten 16. und dem frühen 17. Jahrhundert, Hendrick Goltzius, und der zeitgenössischen Malerin Pia Fries.

Es ist das erste Mal überhaupt, dass beide hochkarätigen künstlerischen Positionen sich gemeinsam umfassend gegenüberstehen. Beide eint die Lust an der Metamorphose, weshalb sich Pia Fries im Untertitel der Ausstellung neben den durch Künstlerbiograph Karel van Mander an Goltzius vergebenen Ehrentitel Proteus als sogenannte Polymorphia hinzugesellt – und damit augenzwinkernd Assoziationen an ein fiktives, antik anmutendes Künstlerpaar zulässt.

2017 jährt sich der Todestag des vom Niederrhein stammenden Kupferstechers, Zeichners und Malers Hendrick Goltzius (Bracht 1558-1617 Haarlem) zum 400. Mal. Der großartige Bestand von rund 100 Kupferstichen befindet sich in der Sammlung Angerhausen, einem bedeutenden Konvolut, das 1982 in die Hände der Stadt Kleve gekommen ist und den Bestand alter Kunst des Klever Museums potenzierte. Sie bilden den Grundstock für die erste umfassende druckgraphische Retrospektive seit fünfunddreißig Jahren am Niederrhein, die Hendrick Goltzius im sinnreichen Kontext mit Leihgaben aus Deutschland und den Niederlanden präsentieren wird.

Die international renommierte Malerin Pia Fries (*1955 in Beromünster, Schweiz) war 1997 die erste Künstlerin, die eine Einzelausstellung im Museum Kurhaus Kleve erhielt. Bereits damals zeichneten ihr Œuvre dezidierte Bezüge zur Malereigeschichte aus. Punktgenau zum zwanzigjährigen Jubiläum des Museums kehrt sie zurück, um ihr neuestes malerisches Werk, das sich seit 2010 intensiv mit Hendrick Goltzius beschäftigt, in eine sinnfällige Synthese mit seinen hochkomplexen Bildschöpfungen zu setzen.

Hendrick Goltzius: Proteus

Hendrick Goltzius gehört zu den bedeutendsten Kupferstechern, Zeichnern und Malern seiner Zeit. Bereits zu Lebzeiten erhielt er für seine stilistische Raffinesse und technische Brillanz vereinigende Kupferstichkunst bemerkenswerte Würdigungen und Renommee. Als geschäftstüchtiger Verleger war er auf internationaler Bühne tätig und avancierte durch die massenmediale Verbreitung seiner Werke zum Katalysator bedeutender künstlerischer Innovationen des ausgehenden 16. Jahrhunderts.

In seinen Werken bewies Goltzius unnachahmliche Virtuosität und Wandlungsfähigkeit. Karel van Mander (1548-1606), der holländische Künstlerbiograph und Weggefährte, bezeichnete ihn in seinem Schilderboek 1604 einen Proteus der Kunst, der fähig war, „sich in jeden Stil hineinzufinden“. Goltzius’ Oeuvre setzt sich demnach aus einer verblüffenden Synthese aus Eigenem und Fremdem, aus Neuem und Altem, aus der Kunst des Nordens und der des Südens zusammen.

Mit Werken wie den sogenannten Meisterstichen, sechs Szenen aus dem Leben Mariens, die in der Manier von Albrecht Dürer, Lucas van Leyden oder Parmigianino gestochen waren, bewies Goltzius eine chamäleonartige Aneignungsfähigkeit von Stilen und Techniken, die mit der Nachahmung stets das Übertreffen der Vorbilder zum Zwecke hatte. In seiner regelrechten Verwandlungskunst präsentiert sich Goltzius als ein die Kunstgeschichte vollumfänglich reflektierender Künstler, der sich erst hinter den Werken anderer zum Verschwinden bringt, um schließlich als vollendeter Könner aus ihrem Schatten hervorzutreten.

Neben zentralen Arbeiten von Goltzius werden mit Jan Harmensz. Muller (1571–1628), Jan Saenredam (1565–1607), Jacques de Gheyn II. (1565–1629) und Jacob Matham (1571– 1631) auch wichtige Künstler aus seinem Umkreis vertreten sein.

Pia Fries: Polymorphia

Pia Fries gehört zu den großen Malerinnen unserer Zeit, deren Werk in internationalen Kunstmuseen auf der ganzen Welt zu finden ist. 2017 erhält sie als erste weibliche Künstlerin den Gerhard-Altenbourg-Preis, der herausragende Lebenswerke von Gegenwartskünstlern würdigt. Als Begründung bezeichnete sie das Kuratorium u.a. als eine Vertreterin der reinsten Malerei, die ein besonders kreativer Umgang mit Farbe auszeichne.

In ihrem Œuvre zitiert Pia Fries Vorbilder aus der Kunst- und Kulturgeschichte, deren vorgefundene Motive oder Muster sie in ihrer furiosen gegenstandslosen Malerei dynamisch verarbeitet. Seit 2010 beschäftigt sie sich mit Fragmenten aus den Kupferstichen des manieristischen Meisters Hendrick Goltzius. Eingangs widmete sie sich seinem ikonischen Fahnenschwinger (1587), der geradezu stolzierenden Figur eines jungen Fahnenträgers an der Front einer Armee, dessen wallende Fahne – ein Erkennungszeichen in einer Schlacht, das nicht vom Feind erobert werden durfte – mehr als zwei Drittel des Bildes einnimmt.

Jüngst liegt ihr Fokus auf den Himmelstürmern (1588), einer Serie von vier Kupferstichen mit den mythologischen Gestalten Tantalus, Ikarus, Phaethon und Ixion, die bei Goltzius in einer Momentaufnahme des Fallens im taumelnden Kampf gegen die Erdanziehung dargestellt sind. Alle damit einhergehenden Assoziationen – Verlust, Schmerz oder Tod, aber auch Freie, Leichtigkeit oder Unabhängigkeit – potenziert sie mit den Mitteln ihrer Malerei.

Das ist für mich der bildende, schöpferische Prozess, der ‘Polymorphia’ bedeutet: Ich nehme das zum Sinnbild Gewordene, betrachte es aus meiner heutigen Sicht und lasse es ‘neu werden’“, sagt Pia Fries.

Alt und neu gehen in ihren Bildern eine produktive Verbindung ein, sie katapultieren alte Bestände schlagartig in eine neue, moderne Sehweise voll malerischem Furor, hoher Farbkraft und radikalem Ausdruck. Pia Fries widmet sich Aspekten wie der Schraffur der Kupferstiche, dem Rhythmus der Bilder, der Anatomie der Körper oder dem Ausbruch starker Emotionen – wie etwa der Angst der Dargestellten im Moment des Fallens. Sie entwickelt ihre Bilder aus den Farben, aus den Linien und aus den Gegebenheiten. Abbildhaftes rigoros ausklammernd, schafft sie intensive Farbkörper und Linienstränge, die aus dem Bild heraus- oder in das Bild hineinführen, und visualisiert Kräfte, die nach innen oder außen drängen.

Auf ihren Bildkörpern, die je nach Format auch am Boden liegen, arbeitet sie mit Pinsel, Spatel, Messer, Kämmen oder Rechen. Farbe schüttet sie gezielt oder formt sie zu Farbpasten. Eingetrocknete Partien schabt sie wieder ab oder zerkratzt sie mit dem Messer – um die Quintessenz zum Vorschein zu bringen. Dreidimensional wirkende Farbbereiche kombiniert sie mit Freiflächen und ergänzt sie mit Siebdruckelementen und Collagetechniken.

Pia Fries studierte von 1977 bis 1980 an der Kunstgewerbeschule Luzern und von 1980 bis 1986 an der Kunstakademie Düsseldorf, wo sie 1986 als Meisterschülerin von Gerhard Richter ihr Studium abschloss. Seither übte sie verschiedene Lehraufträge aus, zunächst in Düsseldorf, später übte sie dann Professuren in Karlsruhe, Berlin und seit 2014 in München aus. Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia

Zur Ausstellung Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia erscheint ein reich illustrierter Katalog mit einem Vorwort von Harald Kunde (Direktor Museum Kurhaus Kleve) und Essays von Deborah Bürgel (Staatliches Museum Schwerin), Ory Dessau (freier Kurator, Berlin), Veronika Hebben (Niederrheinisches Museum Kevelaer), Valentina Vlašić (Museum Kurhaus Kleve) und Eva-Maria Willemsen (freie Historikerin, Kempen).

Er wird gestaltet von Ingo Offermanns (Hochschule für bildende Künste Hamburg / Alliance Graphique Internationale), herausgegeben vom Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. und verlegt vom Wasmuth-Verlag Tübingen.

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten des Museums (Dienstag bis Sonntag von 11 Uhr bis 17 Uhr) zugänglich.

Die Ausstellung wird gefördert durch

Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur  und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen
www.mfkjks.nrw.de

Stadt Kleve
www.kleve.de

Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V.
www.freunde-klever-museen.de

< h3>Mit freundlicher Unterstützung

The Rilano Hotel Cleve City
www.rilano-hotel-kleve.de

WDR 3 – Kulturpartner des Museum Kurhaus Kleve
www.wdr3.de

Auf einen Blick

Datum: Sonntag, 08. Oktober 2017 bis Sonntag, 11. Februar 2018
Uhrzeit: 11:00 bis 17:00 Uhr
Ver­anstal­tungs­ort: Museum Kurhaus Kleve
Tiergartenstraße 41
47533 Kleve
Event-Link: www.museumkurhaus.de
Kategorie: Kunst & Kultur

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